RAAM2025: Philipp Kaider gewinnt das härteste Radrennen der Welt

Als Rekordhalter durch Österreich, zweimaliger 24h-Zeitfahr-Weltmeister, österreichischer Meister (beim Race Around Niederösterreich), Sieger des Race Around Austrias und WM-Zweiter beim Race Around Poland (3600km) hatte Philipp Kaider bereits vor dem Rennen viele Erfolge vorzuweisen. Sein großer Traum, das RAAM zu fahren, war aber nochmals ein/zwei Nummern größer. Als Rookie startete er dennoch ohne großen Druck am Dienstag vergangene Woche in Oceanside an der kalifornischen Pazifikküste um 12:38 Uhr Ortszeit (21:38 Uhr MESZ) ins Rennen. Mit einer guten Kühlstrategie und viel Einsatz des Teams konnte die Wüste und Temperaturen von über 42° C überwunden werden. Der Wolkersdorfer setzte sich trotz defensiver Rennstrategie an die Spitze des Rennens. Und diese Führung sollte er bis zum Schluss auch nicht mehr abgeben.
Sukzessive baute er die Führung auf seine Konkurrenten aus und führte zwischenzeitlich eine österreichische Dreifach-Führung vor dem Oberösterreicher Lukas Kaufmann und dem Wahlösterreicher Kurt Matzler an. Nach den Rocky Mountains (ca. bei KM 1700), wo auf über 3300 Meter über dem Meeresniveau eine dünne Luft herrschte, scherzte der Wolkersdorfer: „Jetzt geht es quasi eh nur mehr bergab Richtung Atlantik“.
Auch wenn die Ebenen durch Kansas sein Terrain sind und er weiter Boden auf die Konkurrenz gut machen konnte, Schmerzen in Nacken und in den Knien machten sich zunehmend bemerkbar. Auch der Schlafentzug spielte dabei eine große Rolle. Die Führung wurde bis zum Halfwaypoint auf 100 Meilen ausgebaut – es blieb genügend Zeit, um diesen wichtigen Punkt mit dem Team zu feiern und Fotos zu machen. Trotz aller Strapazen raste der Niederösterreicher mit einem Lächeln von Timestation zu Timestation. Motivationsvideos und -nachrichten u.a. vom 6-fachen Race Across America Sieger Christoph Strasser und von der Familie und Freunden zu Hause, ließen die Schmerzen immer wieder kurz vergessen machen. Selbst der einsetzende Regen ließ die Stimmung nicht kippen, auch wenn mit Fortbestand des Rennens die Moral oftmals im Keller war.
Team war ein Schlüssel zum Erfolg
Für viele im 11-köpfigen Team war dies der erste Einsatz bei einem Ultradistanzrennen überhaupt. „Wir haben von den Persönlichkeiten gut zusammengepasst. Jeder hat sein Bestes gegeben und um jede Sekunde gekämpft. Das hat Philipp von Beginn an gemerkt und wir hatten sein vollstes Vertrauen“, so Crew-Chief Dr. Christian Kromoser, der weiter anmerkt: „Wir haben die Schwächen von Philipp gekannt und haben immer versucht einen kühlen Kopf zu bewahren, ihn positiv zu unterstützen, auch wenn wir manchmal schon gar nicht mehr wussten, was wir ihm noch alles erzählen können, dass er aus seinem mentalen Tief wieder rauskommt. Je länger das Rennen dauert, umso mehr spielt sich das alles im Kopf ab. Auch bei uns im Team. Wir haben sehr viel kommuniziert und unter uns abgesprochen. Klar, jeder muss sich selbst zurücknehmen und das ist uns alle sehr gut gelungen!“
Endspurt für den Rookie
Der Regen sollte dem Niederösterreicher in den letzten vier Tagen ein ständiger Begleiter sein. Es wurde im Team bereits vermutet, dass eine Wolke mit Kaider mitwandert und die Regenhose wurde liebevoll in Badehose umbenannt. Generell wurden für alle Probleme in Windeseile Lösungen gefunden. Selbst die Appalachen, die der Wolkersdorfer gerne mit den giftigen Anstiegen der Südsteirischen Weinstraße vergleicht, überquerte er in Windeseile. Einzig der Schlafentzug machte ein Vorankommen immer wieder schwierig. Trotz eines massiven rund zehnstündigen Tiefs am letzten Tag ging es aber Kurbelumdrehung um Kurbelumdrehung dem Ziel entgegen.
Die Art und Weise, wie sich der 39-Jährige immer wieder ins Rennen zurückkämpfte war bemerkenswert. Selber sagte er in den letzten Phasen des Rennens: "Es war nicht immer so. Ich war vor Jahren auch noch sehr verbissen. Das ist die Erfahrung, die glaube ich ein bisschen rauskommt. Heuer ist es das erste Mal, dass ich das jetzt umsetzen kann, was ich mir seit Jahren von der Art her, wie ich Rennen fahren will, vornehme.“
Bis zur körperlichen Erschöpfung ins Ziel
An Motivation fehlte es dem Wolkersdorfer aber bis zum Schluss nicht: Nach der letzten Schlafpause, stand er selber auf, zog sich an und verließ das Wohnmobil, um die letzten Kilometer zu strampeln. „Er beißt und kämpft bis zur totalen Erschöpfung“, so Co Crew-Chief Christian Vogt. Auf den allerletzten Kilometern dieser knapp neuntägigen Reise wurde der Niederösterreicher von seinem Team am Straßenrand bereits gefeiert. Beim Surf Stadium in Atlantic City wurde dann die Zeit offiziell gestoppt und der Wolkersdorfer lag sich mit seinem Team in den Armen.
Im Ziel am Pier wurde Kaider dann von seiner Crew empfangen und neben der Siegerplakette wurde ihm auch der Award „Rookie of the Year“ überreicht.
Auf die Frage was es für ein Gefühl sei, das RAAM gewonnen zu haben sagt Kaider: „Auf die Frage was es für ein Gefühl sei, das RAAM gewonnen zu haben sagt Kaider: „Aus aktueller Sicht kann ich noch gar nicht sagen was ich fühle, weil ich so müde bin. Ich kann es noch gar nicht fassen. Es ist ein sehr, sehr wichtiger Sieg, weil es das längste und anstrengendste Rennen in meinem Leben war und es ist mir gelungen durchgehend meine Leistung ohne markante Leistungseinbrüche abzurufen!“